Die Intensivität des Wettbewerbs steht – unabhängig davon, ob dieser online oder offline stattfindet – immer auch im direkten Zusammenhang mit der brancheneigenen ökonomischen Struktur. Demnach ist der Erfolg im Onlinehandel besonders abhängig von der allgemeinen Attraktivität der Branche und der individuellen Wahl der Wettbewerbsstrategie.
Eine der Beliebtesten Möglichkeiten, die Rentabilität der Branche zu bestimmen, ist die Branchenstrukturanalyse. Diese kann auch als Modell der fünf Wettbewerbskräfte („5-Forces“) oder abgekürzt als Branchenanalyse bezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsklärung: Was ist eine Branche?
Einerseits definiert PORTER eine Branche als „[…] einen Markt, auf dem ähnliche oder eng verwandte Produkte [oder Dienstleistungen, Anm. d. Verf.] an Abnehmer verkauft werden […].“ Wird der Markt ausschließlich als ein Ort betrachtet, an dem Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden, führt diese Herangehensweise zu einer Vielzahl relevanter Wettbewerber. Nach dieser Definition wären also für eine Untersuchung all jene Plätze von Bedeutung, an denen Käufer und Verkäufer von bestimmten Waren zusammentreffen. Dieser Rahmen wären sowohl für eine Branchenstrukturanalyse als auch beispielsweise für eine Konkurrenzanalyse zu weit gefasst und nicht zielführend.
Als Lösung dieses Problems empfiehlt PORTER einen enger gefassten Ansatz. Er verweist bei der Branchendefinition auf die Segmentierung der Branche und auf deren struktur- und wertkettenbezogenen Unterschiede. Grundsätzlich ist eine Kategorisierung nach Produkt- und Abnehmersegmenten möglich. Im Onlinehandel erscheint die letztgenannte Option sinnvoll. Als segmentbildende Unterschiede kommen bei einer Branchenanalyse im besonderen Maße vertriebsbezogene und geographische Indikatoren zum Tragen.
Erste Wettbewerbskraft: Wettbewerber und Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
Eine Rivalität entwickelt sich, wenn Konkurrenten der gleichen Branche unter Druck geraten oder danach streben, ihre Situation im Wettbewerb zu verbessern. Dies kann Werbeschlachten, Preiswettbewerbe, Verbesserungen von Serviceleistungen und Sortimentserweiterungen zur Folge haben. In den meisten Fällen sind die Wettbewerber untereinander wechselseitig abhängig. Das bedeutet, dass sich die Maßnahmen eines Unternehmens direkt auf die ihrer Konkurrenten auswirken.
Dies kann Gegenmaßnahmen zur Folge haben, von denen alle Wettbewerber einer Branche betroffen sein können. PORTER verweist zur Ermittlung des Grades der Rivalität in einer Branche auf folgende strukturelle Faktoren, die es bei einer Branchenstrukturanalyse zu untersuchen gilt:
- Ausstattung und Anzahl der Wettbewerber
- Wachstum der Branche
- Fix- oder Lagerkosten
- Produktdifferenzierung und Umstellungskosten
- Kapazitätserweiterungen
- Heterogenität der Wettbewerber
- Strategische Einsätze
- Austrittsbarrieren
Zweite Wettbewerbskraft: Bedrohung durch neue Konkurrenten
In attraktiven Branchen müssen etablierte Unternehmen jederzeit mit dem Eintritt neuer Konkurrenten rechnen – Preisverfall, Kostenerhöhung und verminderte Rentabilität können die Folge sein. Die Wahrscheinlichkeit des Zutritts neuer Konkurrenten lässt sich bei einer Branchenstrukturanalyse anhand bestehender Eintrittsbarrieren einschätzen, auf die in folgenden Ausführungen näher eingegangen wird.
Potenzielle Wettbewerber können vom Faktor Betriebskostenersparnisse – oder auch Skaleneffekte („Economies Of Scale“) – abgeschreckt werden. Diese Situation bringt Neuanbieter in Bedrängnis, da sie sich entscheiden müssen entweder das Risiko einzugehen, mit einem hohen Produktionsvolumen in die Branche einzusteigen, oder Kostennachteile zu akzeptieren. Eine Differenzierung der Produkte schafft wiederum eine Barriere, da neue Wettbewerber nicht über die gleiche Loyalität der Kunden und Bekanntheit der Marken verfügen, wie die etablierten Unternehmen innerhalb der Branche.
In einigen Branchen führt ein hoher Kapitalbedarf zu hohen Eintrittsbarrieren. Dies gilt im besonderen Maße, wenn für den Einstieg riskante, bzw. unwiederbringliche Mittel (Forschung und Entwicklung, Werbung, etc.) aufgebracht werden müssen.
Auch Umstellungskosten können einen Hinderungsgrund für den Markteintritt darstellen. Sind diese vorhanden, muss ein gewisser Aufwand betrieben werden, um den Kunden zum Wechsel des Anbieters zum Neuanbieter zu bewegen.
In manchen Branchen spielt der Zugang zu Vertriebskanälen eine wichtige Rolle. Dieser wird umso schwerer, je begrenzter die Kanäle für ein Produkt sind und umso mehr die Kanäle an die bereits bestehenden Branchenteilnehmer gebunden sind.
Eintrittsbarrieren können auch durch größenunabhängige Kostennachteile (fehlendes Know-how, schlechtere Standorte, etc.) und Eingriffe des Staates entstehen.
Die erwartete Reaktion der etablierten Wettbewerber kann ebenfalls einen Markteintritt verhindern, insbesondere wenn dieser in der Vergangenheit schon mit harten Vergeltungsmaßnahmen gegenüber neuen Wettbewerbern reagiert hat.
Dritte Wettbewerbskraft: Bedrohung durch Ersatzprodukte
Als Ersatzprodukte (oder auch Substitute) werden Güter bezeichnet, bei denen ein Anstieg des Preises des einen Guts im Gegenzug die Nachfrage des anderen Guts steigen lässt. In Bezug auf die Rentabilität werden dabei den Preisen der Branche Grenzen gesetzt.
Generell empfiehlt PORTER bei einer Branchenstrukturanalyse zur Identifikation von Ersatzprodukten die Suche nach Produkten oder Dienstleistungen mit gleichem Funktionstyp. Außerdem liefert PORTER zur Identifizierung von Substituten bei Branchenanalysen einen weiteren Lösungsansatz und weist auf Folgendes hin: „In jedem Branchensegment sind andere Ersatzprodukte von Belang [..]. Verschiedene Abnehmer verwenden ein Produkt unterschiedlich und bewerten daher auch dessen Funktionen jeweils anders.“
Vierte Wettbewerbskraft: Verhandlungsmacht der Abnehmer
Die Bedrohung durch Ersatzprodukte spielt bei Anfertigung einer Branchenstrukturanalyse auch bei der Verhandlungsmacht seitens der Abnehmer eine Rolle. Ist das Leistungsangebot des Anbieters leicht substituierbar oder kann der Verbraucher aus anderen Gründen darauf verzichten, verbessert dies die Situation der Verbraucher. Auch fehlende Umstellungskosten und ein einfacher Zugang zu produktrelevanten Informationen begünstigen die Position der Abnehmer.
Die größte Verhandlungsmacht besitzen Käufer, wenn es nur wenige von ihnen in der Branche gibt, sie aber bei möglichst wenigen (und kleinen) Wettbewerbern einen großen Anteil an deren Gesamtumsatz generieren. Wenn Abnehmern möglich ist, durch Rückwärtsintegration selbst als Wettbewerber aufzutreten – also eine Expansion in nachgelagerte Wertschöpfungsstufen zu betreiben – setzt dies den eigentlichen Anbieter der Leistung unter Druck. PORTER beschreibt dieses Verhalten der Anbieter als eine Art „konkurrieren mit der eigenen Branche“ auf Kosten der Rentabilität.
Ein bedeutendes Merkmal der Internetökonomie ist der hohe Grad an Markttransparenz. Im Vergleich zu anderen Märkten ist es für Nachfrager im Onlinehandel erheblich leichter, sich Informationen über ein Produkt zu beschaffen und das gesamte Angebot zu überblicken. Im E-Commerce können Verbraucher zum Beispiel über Preissuchmaschinen, Produktübersichten und Foren, aber auch über organische und bezahlte Suchmaschinenergebnisse, problemlos an Informationen über Produkte und Onlineshops gelangen und einen Anbieter auswählen, ohne Umstellungskosten in Kauf nehmen zu müssen.
Die Informationsasymmetrie zwischen Nachfragern und Anbietern schwächt sich im Onlinehandel ab, der Informationsgrad der Nachfrager steigt. Dies hat jedoch auch einen gegenteiligen Effekt zur Folge. Die Verbraucher haben Zugang zu einer solchen Menge an Informationen und Angeboten, dass es ihnen nicht mehr möglich ist, diese in Gänze zu erfassen. Es ist anzunehmen, dass bedingt durch diesen „Informations-Overload“, die Vorteile der Markttransparenz teilweise wieder ausgeglichen werden.
Die Preiselastizität der Nachfrage ist im gesamten E-Business hoch. Die grundsätzliche Gefahr, dass die Verbraucher auf Substitute umsteigen, ist damit permanent gegeben. Oftmals ist im Onlinehandel auch die Gefahr einer Rückwärtsintegration gegeben, da Verbraucher bereits bei vielen Händlershops Waren direkt erwerben können. Die Marktmacht der Nachfrager wird wiederum dadurch eingeschränkt, dass im Onlinemarkt eine Vielzahl von Anbietern auf Nachfrager treffen und der Anteil am Gesamtumsatz bei den Kunden gering ist.
Fünfte Wettbewerbskraft: Verhandlungsmacht der Lieferanten
Lieferanten können durch Erhöhung der Preise und Verminderung der Produktqualität die Rentabilität der Branche vermindern. PORTER beschreibt folgende Wirkungszusammenhänge zwischen der Verhandlungsmacht der Lieferanten und dem vorangegangenem Gliederungspunkt bei der Anfertigung einer Branchenstrukturanalyse: „Die Bedingungen, die den Lieferanten Marktmacht verleihen, sind meist die Spiegelbilder jeder Bedingungen, die die Macht von Abnehmern begründen.“ Folgende Faktoren verbessern somit die Verhandlungsmacht der Lieferanten:
- Dominanz weniger Zulieferunternehmen
- geringe Substitutionsgefahr in Bezug auf die produzierten Güter
- geringer Stellenwert der belieferten Branche
- Umstellungskosten der Abnehmer bei einem Wechsel des Lieferanten
- Möglichkeit zur Vorwärtsintegration
Die Verhandlungsmacht der Lieferanten muss bei einer Branchenanalyse differenziert betrachtet werden. Im Onlinehandel ist oftmals folgende Situation zu beobachten: Es gibt für die jeweilige Warengruppe, die ein Händler im Shop vertreibt, viele Hersteller, von denen keiner den Markt dominiert. Onlineshops legen bei der Sortimentsgestaltung meist großen Wert auf eine Vielzahl an verschiedenen Marken, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen. Bei einer Branchenstrukturanalyse kann also davon ausgegangen werden, dass der Wegfall einer einzigen Marke im Sortiment die Existenz eines Onlinehändlers nicht gefährden kann. Fehlende Umstellungskosten sprechen ebenfalls für eine geringe Macht der Hersteller.
Des Weiteren kann festgehalten werden, dass die meisten Hersteller einen Preiskampf unbedingt verhindern wollen. Diese Situation kann auch als ein positiver Effekt von Marktmacht interpretiert werden. Ein Preiskampf kann eine abwärts gerichtete Preisspirale in Gang setzen und Onlineshops dazu zwingen, ihre Waren zu kompetitiven Preisen anzubieten, da damit zu rechnen ist, dass Kunden bereits bei geringen Preisunterschieden den Anbieter wechseln werden.